Vor unseren Augen spielt sich ein Drama historischen Ausmaßes ab. Die Biodiversität unseres Planeten- die Vielfalt von Lebensräumen, Arten, und ihre genetischen Variationen- nimmt so rapide ab, dass der Weltbiodiversitätsrat vom sechsten, globalen Massensterben spricht. Diese schockierenden, globalen Entwicklungen sind auch in Deutschland sichtbar.
In Zahlen: nach Schätzungen sind 2 Millionen Arten vom Aussterben bedroht, in Europa jede fünfte Art, weltweit sind 75% der Landoberfläche und 66% der Meeresfläche in einem durch den Menschen negativ veränderten Zustand, bei 2 Grad Erderwärmung werden über 99% der Korallenriffe absterben, die Masse der Fluginsekten ist in deutschen Schutzgebieten seit 1989 um 75% geschrumpft, seit 1980 sind in Deutschland rund 35% aller Feldvögel verschwunden, Rebhühner und Kiebitze sind ganz besonders betroffen. Besonders stark tragen die Sektoren Land- und Forstwirtschaft, der Ausbau von Infrastruktur, Rohstoffabbau sowie die Industrieproduktion zum Biodiversitätsverlust bei.
Es steht viel auf dem Spiel.
Intakte, artenreiche Ökosysteme bilden in ihrer Vielfalt die Grundlage für unser Überleben, unsere Gesundheit und unseren Wohlstand. Sie versorgen uns mit Lebensmitteln, reinigen Luft und Wasser, liefern Arzneien und bieten uns Erholungsraum. Über Ökosystemleistungen wie Bestäubung, Klimaregulierung oder die Bereitstellung fruchtbarer Böden erbringt die Biodiversität weltweit einen jährlichen Wert von 170 bis 190 Billionen US-Dollar. Doch dieser Wert geht seit Jahren zurück und die Kosten werden an uns alle weitergegeben. Naturkatastrophen wie Überflutungen, die durch den Verlust von Auen, Mooren und Feuchtwiesen begünstigt werden, nehmen zu, durch den Verlust fruchtbarer Böden durch intensive Landwirtschaft oder die zunehmende Versiegelung sinkt unsere Ernährungssicherheit.
Wovon träume ich besonders an diesem Biodiversitätstag, wenn ich an unseren süddeutschen Lebensraum denke?
Von mehr offenen, strukturreichen Mischwäldern mit Lichtungen durch Beweidung mit Hirschen, Rindern oder in Schutzgebieten mit Wisenten, von 5% Urwald, von Bächen und Flüssen mit guter Wasserqualität in Flussauen mit intakten Galeriewäldern wo der Biber wohnen darf. Von Äckern mit Blühstreifen, Biodiversitätsbrachen mit Lerchengesang, blühenden Saumbiotopen an Straßenrändern, Feldhecken, Wanderkorridoren mit mehr Grünbrücken. Von Grünland mit ein paar Blühwiesen und Agroforsten, von mehr gesetzlicher Harmonisierung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft, damit Landwirte nicht dafür bestraft werden, wenn sie mal ein Kleinbiotop auf ihren Flächen zulassen, von fairen Lebensmittelpreisen für heimische Lebensmittel. Ich träume von mehr naturnahen Gärten ohne Laubbläser und Mährobotern, weniger Lichtverschmutzung. Es ist ein Traum von der Vielfalt an Lebensräumen, denn nur diese sichert die Vielfalt der Tiere und Pflanzen. Lassen wir alle wieder mehr davon zu!
Was fordern wir Naturschützer von der Bundesregierung?
Wir brauchen großflächige und miteinander vernetzte Schutzgebiete auf 30% der Land- und Meeresflächen. Als zentraler Schritt muss ein wirksames Natur-Flächengesetz verabschiedet werden.
Wir brauchen klare Regeln für Schutzgebiete, d.h., sie dürfen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müssen der Natur Vorrang vor wirtschaftlicher Nutzung geben. Eine Nutzung im Einklang mit den Schutzzielen kann erlaubt sein, naturschädigende Praktiken wie Kahlschläge, Pestizid- und Düngemitteleinsatz oder Überfischung sollen streng reglementiert werden. Dafür braucht es Personal und Geld.
Knapp 80% der natürlichen Lebensräume in Europa sind bereits geschädigt. Meere, Moore, Wälder, Flüsse und Auen müssen wieder hergestellt werden, damit sie uns vor Dürre, Hitze und Überschwemmungen schützen und Kohlenstoff binden aber auch Wasser für Trockenperioden zurückhalten können. Schnell muss ein rechtsverbindlicher Plan zur Wiederherstellung der Natur vorgelegt werden.
Natürliche Lösungen sind ökonomische Lösungen
Die fehlende Speicherung von Wasser in der Landschaft stellt unsere Gesellschaft vor finanzielle Herausforderungen. Allein die Dürresommer von 2018 und 2019 sowie die schweren Überschwemmungen von 2021 haben Schäden von insgesamt 80 Milliarden Euro verursacht. In diesem Kontext wird die Wiederherstellung von Ökosystemen als „grüne“ Lösung bezeichnet, während technische Lösungen mit Staudämmen als „graue“ Infrastruktur gelten. Intakte Auen, Wälder und Moore bringen bedeutsame Vorteile mit sich: verbesserte Wasserqualität, Bindung von Kohlenstoff, Lebensraum für bedrohte Arten sowie Erholungsraum für Menschen. Berücksichtigt man diese Faktoren, wird deutlich, dass grüne Lösungen auch aus volkswirtschaftlicher Sicht rentabel sind. Ein Beispiel aus Frankreich zeigt, dass die Wiederherstellung von Auenwäldern und Feuchtgebieten etwa 63 % günstiger sein kann als der Bau einer künstlichen Wasserrückhaltesperre.
Angesichts der Klima- und Naturkrise dürfen wir bei der Wiederherstellung der Ökosysteme keine Zeit verlieren. Ergänzende technische Lösungen in Städten sind Teil des ganzheitlichen Ansatzes, um deutschlandweit grüne Lösungen zur Sicherung unserer Wasserversorgung voranzubringen. Ein neues Bodenschutzgesetz muss beschlossen werden, welches die Rolle der Bodendiversität für die Wasserspeicherung und Erosionsprävention klar benennt. Bodeneigentümer können für den Bau einer Autobahn enteignet werden, für die Wiederherstellung einer Flussaue ist das für die allgemeinen Interessen bisher nicht möglich. Ebenso muss ein neues Bundeswaldgesetz mit Mindeststandards zum Schutz des Wasserhaushalts verabschiedet werden.
Viele Politiker und Bürger haben diese Ökosystemkrise noch zu wenig im Blick, weil die Veränderungen schleichend geschehen und bisher noch nicht so auffallen. Das ist gefährlich. Die anstehenden Wahlen sollten wir nutzen, um politisches Handeln in diesem Sinne zu beschleunigen.
Simone Rudloff (Vorsitzende des NABU Dreisamtal)
Dreisamtäler 29.11.2023
NABU Dreisamtal Pflanzaktion am Giersberg
NABU-Nistkasten für Turmfalken bei Burg-Höfen das zweite Jahr besetzt. Beobachtung mit der Kamera von Herrn Steinhart.
21.10.2023
Pflanzen für die Bienen am Platz der Alten Säge in Zarten
Text und Bild dazu hier:
Dreisamtäler 5.Juli 2023 Neues Luxushotel In Zarten für Wildbienen
Frühjahr 2023
Beringung vom Steinkauz
BZ Artikel 19.03.2023 Wie man Vögel am Gesang erkennen kann, erklärt ein Dreisamtäler Experte.
Woran erkennt man bestimmte Vogelrufe? Und welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Zugrouten von Vögeln? Nabu-Mitglied Reinhard Löber aus Buchenbach weiß mehr darüber. Mehr dazu:
BZ Artikel 6.08.2022 Gold für Kirchzartens Golfer
Freiburger Club mit Sitz im Dreisamtal wird vom Deutschen Golfverband für nachhaltigen Natur- und Umweltschutz ausgezeichnet. Mehr dazu:
BZ Artikel 15.09.2022 Mitmachen statt nur drüber reden
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Die Trockenheit wirkt sich auf die Wassertiere im Dreisamtal aus. Mehr dazu:
Dreisamtäler 15.06.2022 Die Natur braucht unsere Hilfe
Dreisamtäler 27.04.2022
NABU Dreisamtal: „Lebensraum Totholz“
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BZ Artikel 23.04.2022 Auch nach vier Jahren sind noch keine Bäume gepflanzt
Aufgelöste IG Giersberg moniert langwierigen Prozess. Mehr dazu:
Dreisamtäler 06.04.2022
Baumallee am Giersberg an St. Nimmerlein?
BZ Artikel 15.2.2022
Bildervortrag von Thomas Gekle: Die Schönheiten des Dreisamtals Link ►
Weiterhin Krebspest in der Brugga -- Verfügung nochmals verlängert!
Dreisamtäler 10.11.2021
BZ Artikel 13.11.2021
Jugendliche pflanzen Bäume" Link ►
Dreisamtäler 04.08.2021